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Auswilderung der Turmfalken

Auswilderung
Ab in die Freiheit · Fotos: Dieter Knopp

Mittwoch, 30.08.2000
Es ist ein sonniger, warmer Sommertag mit geringer Kumulusbewölkung und guter Thermik. Heute will Hans Söhnigen die Falken freilassen! Gegen 15.20 Uhr fängt er mit einem Kescher einen der 3 jungen Falken aus Solingen in der Voliere und hält ihn mit der behandschuhten rechten Hand an den Beinen fest. Der Vogel wird so dem Fotografen der Westdeutschen Zeitung zum Foto präsentiert.

Sodann öffnet Söhnigen die Hand und der Falke schwingt sich sofort auf ca. 8 m Höhe und umkeist einen ca. 20 m. entfernten 8 m hohen Baum einmal, zweimal. Normalerweise rufen in dieser Situation die Falken laut vor Erregung, Nervosität und Euphorie über die plötzliche Freiheit und den freien Flug. So sind wir erstaunt über die absolute Lautlosigkeit des Falken, mit der dieser ca. 30 m weiter ins Tal sofort in recht steilem Steigflug fliegt. Offenbar erreicht er eine leichte Thermik, die sich wohl mit steigender Höhe verstärkt, denn der Vogel gewinnte wie in einem Fahrstuhl mit recht schnellen Flügelschlägen und in engen Kreisen sofort an Höhe und steigt sehr schnell in den blauen Himmel, aus Sicht der Boeobachter am Boden direkt in die helle Sonne. Alle sind buchstäblich begeistert. Ausrufe wie: "Mann, der geht aber ab wie 'n Starfighter!", "Klasse! Ganz toll!", "Mann ist das ein Bild. Wie der steigt – unglaublich!"

Hochstimmung erfaßt alle Umstehenden. Nachdem der Falke eine Höhe von schätzungsweise 100 m über den umgebenden Waldhängen gewonnen hat, zieht er sehr schnell und gezielt in Richtung Süden über die Innenstadt von Gerresheim und entschwindet unseren Blicken. Ein toller Erfolg. Große Freude bei allen. Jetzt wird die Klappe der Voliere geöffnet. Der nächste ist ein Altfalke, der in der Voliere eine Unfallverletzung auskurierte. Er fliegt schnell aus der offenen Klappe und beginnt sofort, laut rufend – wie erwartet – den gleichen Baum zu umkeisen, wie der erste. Nach 2–3 Umrundungen setzt er sich jedoch ruhig auf einen Ast des Baums, orientiert sich und sieht sich um.

Auswilderung  
20 Sekunden vor der Freiheit 
Die 3 restlichen Jungfalken in der Voliere erkennen ihre Chance jedoch nicht. Sie bleiben einfach so lange sitzen, bis daß jemand kurz durch die Tür der Rückwand in die Voliere geht. Sie ergreifen erst darauf durch die geöffnete Klappe die Flucht in die Freiheit und schießen im Bruchteil einer Sekunde in Freie. Offenbar überrascht von den nun auf sie einstürzenden Eindrücken fliegen sie in ca. 6–9 m über dem Talgrund in die gleiche Richtung wie ihr erster junger Artgenosse. Dann beginnen die 3 Jungfalken locker und tändelnd, einander recht eng umkreisend leicht zu steigen. Knapp unterhalb der Oberkante der umgebenden Höhenrücken gesellt sich ein Bussard zu ihnen, der aus einem der Bäume des umgebenden Waldes zu ihnen segelt. Eng umkeisen ihn die 3 Jungfalken spielerisch und neugierig. Die neuen Eindrücke und der große, langsame Vogel da direkt neben ihnen müssen für die jungen, völlig verspielten Falken überwältigend sein. Die Vögel steigen dabei langsam in die Höhe und erreichen so die Oberkante der Baumwipfel des Waldes.

Zwei der Falken lösen sich jetzt von dem Bussard und segeln langsam in die Abflugrichtung des ersten jungen Falken zur Innenstadt von Gerresheim. Der dritte Jungfalke nähert sich jedoch total verspielt dem Bussard bis auf ca. 1 m. In diesem Moment löst sich aus einem Baum des Waldes auf dem linken Höhenrücken in gleicher Höhe wie die insgesamt 4 kreisenden Greife ein weiterer "Bussard" (der ein Habicht ist!), der gradlinig auf die beiden nächsten Vögel – den Bussard und den jungen Falken – gezielt und schnell, jedoch ohne Hast zufliegt. Der junge Falke – euphorisch und überwältigt von den Eindrücken des ersten Fluges in seinem Leben – ist fasziniert von der Möglichkeit, im Flug mit dem großen Bussard zu spielen und so von seiner Umgebung völlig abgelenkt. Er erkennt weder die Lebensgefahr, in der er sich befindet, noch realisiert er den Jagdflug des Habichts, der ihm – dem kleinen Falken – gilt. Den Zuschauern bleibt das Herz stehen.

 
..nix wie weg. Abflug in die Freiheit. 

Zwar gelingt es dem Falken, noch im letzten Moment – leider viel zu spät – über den linken Flügel abzukippen, mit einer blitzschnellen Wendung jedoch schlägt der Habicht im Bruchteil einer Sekunde seine dolchartigen, langen Krallen in den kleinen Turmfalken und zieht mit seiner Beute ab in einen der hohen Bäume. Wären die jungen Falken nur 20 m höher gewesen, der Habicht hätte wohl kaum eine Chance gehabt!

Wir alle sind tief beeindruckt und z. T. erschüttert. Da war ein junger Turmfalke, der mit großem Aufwand als Dunenküken geborgen wurde, dann mit Mühe 6 Wochen lang mit der Hand aufgezogen und in der Voliere auf das Fangen von Mäusen trainiert wurde, gerade einmal 2 Minuten zum ersten Mal in seinem Leben in der Luft und schon ein Opfer seines Todfeindes. Das geht mir derart unter die Haut, daß ich daran noch tagelang "zu knabbern" habe. Auch keiner der anderen Beobachter, die so erfreut den Abflug des ersten Falken beobachteten, ist jetzt noch fröhlich.

Anderseits sitzt in einer der Volieren eben einer dieser Habichte, der sich ebenfalls von einer schlimmen Unfallverletzung erholt und sobald wie möglich wieder freigelassen werden wird. So ist eben das Leben, und keiner von uns will da Herr über Leben und Tod eines unserer Greife sein, denen wir so sehr zugetan sind. Sie alle werden wir versuchen zu retten, wo immer wir es können. Da wird nie und nimmer gewichtet nach "gut und böse". Wir brauchen sie alle in der freien Natur.

Übrigens: der fünfte, alte Falke, der sich die Geschehnisse in aller Ruhe von seinem Sitzplatz im Baum in der Nähe der Vorlieren ansah, startet kurz darauf mit schnellen Flügelschlägen in die gleiche Richtung, gewinnt sehr schnell an Höhe, steigt flink 20 m, 30 m über die Baumwipfel der umgebenden Höhen und zieht kurz darauf unangreifbar in ca. 150 m Höhe mehrfach über unserem Standpunkt hin und her, um sich offenbar in Ruhe zu orientieren! — Eben ein erfahrener Altfalke!

Mir wurde jedoch heute schlagartig klar, wo die beiden Altfalken von unserem Nebenhaus – die Eltern der 3 jungen Falken, die hier freigelassen wurden – offenbar geblieben sind. Mit Sicherheit wurden sie in der Nähe ihres Nistkastens bei mir zu Hause ebenfalls nacheinander leichtes Opfer eines inzwischen auf das Jagen von Turmfalken spezialisierten Habichts oder Sperbers. Die Falken sind während der Aufzucht ihrer Jungen so sehr auf das Jagen von Mäusen und damit auf die Nahrungsbeschaffung für ihre Jungen konzentriert, daß sie auf andere Gefahren wohl zu wenig achten.
Das Revier und der Nistkasten "unserer" Falken hier in Solingen ist jedenfalls seit dem Verschwinden der beiden Altvögel verwaist. Das war seit ca. 15 Jahren noch niemals so.

weitere Ausführungen siehe - Bericht 2001-


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